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Wenn der Nachbar den Praxisbetrieb stört

Was der Arzt gegen störende Immissionen bzw. Lärmbelastungen des Ordinationsbetriebs unternehmen kann.

Was der Arzt gegen störende Immissionen bzw. Lärmbelastungen des Ordinationsbetriebs unternehmen kann.

Ein kraftvoll vorgetragenes Klavierkonzert, wie etwa eines der späten Werke von Ludwig van Beethoven oder gar Rachmaninows „No. 5“, kann durchaus die Zeit versüßen. Untersucht man als Arzt jedoch gerade hochkonzentriert einen Patienten, führt eine komplizierte Behandlung durch oder ein beratendes Gespräch, kann man wohl gerne darauf verzichten. Ganz zu schweigen von Patienten, die im Wartezimmer der Ordination aufgrund der unerwünschten Klangkulisse noch angespannter ihrem Termin – möglicherweise sogar im wahrsten Sinne des Wortes – entgegenfiebern.

Dass sich Dauerbeschallung aus der Nachbarwohnung während der Ordinationsstunden langfristig nicht gerade positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg einer Praxis auswirken wird, kommt hier noch dazu. Aber was kann man in solchen Fällen tun? Dr. Leonhard Göbel, Rechtsanwalt und Partner bei Nepraunik & Prammer, empfiehlt, zuallererst das Gespräch mit dem Nachbarn zu suchen. Denn meistens würden sich Nachbarschaftskonflikte auf diesem Wege aus der Welt schaffen lassen. Eine weitere Möglichkeit wäre es, den Hauseigentümer um Unterstützung zu bitten.

Maßstab Ortsüblichkeit

Hilft das nicht kann, der betroffene Arzt auch den Nachbarn wegen Ruhestörung anzeigen – wobei das Einschreiten der Polizei oft nur vorübergehend Abhilfe bietet – oder bei Gericht einen Unterlassungsanspruch gegen störende Immissionen, zu denen auch Lärmeinwirkungen zählen, geltend machen. Laut Göbel ist eine mögliche Grundlage für Letzteres § 364 Abs 2 ABGB. Dieser besagt, dass Lärmeinwirkungen vom Nachbarn untersagt werden können, soweit sie das ortsübliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtigen.
Der Maßstab dafür, welcher Lärm untersagt werden kann, ist jedenfalls die Ortsüblichkeit. So ist etwa die Toleranz in von vornherein lärmbelasteten Gegenden, wie beispielsweise dem Wiener Gürtel, eine andere als in Gegenden mit geringem Schallpegel, wie etwa einer Almhütte. „Im innerstädtischen Bereich ist beispielsweise regelmäßig mit Baustellenlärm zu rechnen, sodass die ‚übliche‘ Lärmentwicklung, die von einer Baustelle ausgeht, zu dulden ist“, erklärt Göbel, der darauf hinweist, dass während der Nachtruhe – sprich zwischen 22 und 6 Uhr früh – strengere Maßstäbe gelten als tagsüber, am Wochenende ebenso.
Neu hinzukommende Nachbarn müssten sich mit der bestehenden Geräuschkulisse, soweit die Lärmquelle erkennbar ist, im Zweifel abfinden. „Wird eine Lärmbelästigung über lange Zeit geduldet, wird sie dann irgendwann ortsüblich und ist zu dulden“, warnt Göbel. Der Mieter hat aber auch –mangelnde Ortsüblichkeit vorausgesetzt – Ansprüche gegen seinen Vermieter, so Göbel weiter. „Einerseits Mietzinsminderungsansprüche, andererseits kann er den Vermieter auf Vertragszuhaltung klagen“, erklärt er. Der Vermieter müsse dann seinerseits alles ihm Mögliche tun, um die Lärmquelle zu beseitigen, also den Nachbarn auf Unterlassung klagen. pb

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Foto: istockphoto/LittleBee80