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Warum es psychosoziale Reha braucht

Körperliche Erkrankungen können auch die Psyche und soziale Beziehungen beeinflussen.

Daher ist die Wiederherstellung der psychosozialen Gesundheit in der Kinder- und Jugendreha ein zentraler Baustein. Dr. Liesa J. Weiler-Wichtl, klinische Psychologin, Leitung Bereich „Psychosoziale Reha“, kokon Rohrbach-Berg, erklärt den Weg der Zuweisung und den Ablauf.

Dr. Liesa J. Weiler-Wichtl, klinische Psychologin, Leitung Bereich „Psychosoziale Reha“, kokon Rohrbach-Berg

?Wann ist eine Zuweisung in eine Kinder- und Jugendreha sinnvoll und möglich?
Aufgrund von körperlichen Erkrankungen, aber auch bei psychosozialen Belastungen. Möglichst frühzeitig – bevor es zu einer Chronifizierung der Thematik kommt. Das kann die Belastung aufgrund der eigenen Erkrankung sein, aber auch im Familiensystem, wenn etwa Eltern oder Geschwister von einer schweren Erkrankung betroffen sind. Aktuell bedarf es einer Diagnosestellung für eine Bewilligung, das kann die Diagnose der körperlichen Erkrankung, Störungsbildern und/oder eine Belastungsreaktion umfassen, aber auch als gesunde Begleitperson einer erkrankten Person.

?Wer ist Ihre Zielgruppe im kokon?
Wir behandeln Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen und angeborenen Fehlbildungen genauso wie nach Unfällen oder Operationen. Unverzichtbarer Bestandteil der Reha ist dabei neben der medizinischen Therapie und Pflege eben auch die psychosoziale Behandlung. Nur so gelingt es, Erlerntes in den Alltag zu integrieren. Unser Angebot umfasst klinische Psychologie, Psychotherapie, Musik- und Kunsttherapie, Elementarpädagogik, Sozialpädagogik und soziale Arbeit – sowohl in der Gruppe als auch in Einzelterminen. Und wir entwickeln den Bereich aktuell mit weiteren Schwerpunkten weiter, um gezielter auf die psychosozialen Belastungen eingehen zu können.

?Braucht es eine konkrete Erkrankung, um das psychosoziale Angebot zu nutzen?
Nein, es ist Bestandteil jeder Reha, unabhängig von der Diagnose. Wir planen aber auch spezielle Angebote für belastete Patienten. Unser Ziel ist es, schwerwiegendere seelische oder soziale Folgen, die aus einer Erkrankung entstehen, wie etwa Depressionen, zu verhindern. Studien zeigen, dass Kinder mit chronischen Erkrankungen ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko haben, später weitere psychosoziale Gesundheitsprobleme zu entwickeln. Psychosoziale Reha ist also kein „Nice-to-have“, sondern dringend notwendig und sollte damit integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Versorgung darstellen. Zum einen, damit Reha nachhaltig wirkt, und zum anderen, um präventiv spätere Erkrankungen zu vermeiden.

?Wer sind Ihre Zuweiser und gibt es Tipps, worauf Zuweiser besonders achten müssen?
Zuweisende sind formal Ärzte, sowohl im Krankenhaus als auch im niedergelassenen Bereich. Beachtet man die steigende Anzahl an psychosozialen Belastungen, so zählen für uns im erweiterten Sinne auch alle anderen Gesundheitsberufe aus dem Pflegebereich, dem psychosozialen und dem Therapiebereich als indirekte Zuweisende dazu, da sie oftmals mit diesen Themen in der Beratung konfrontiert werden und damit oftmals die ersten sind, die den Bedarf erkennen und Reha-Empfehlungen aussprechen und bis hin die Familien im Beantragungsprozess unterstützen. Grundsätzlich wäre es darüber hinaus generell wichtig auch in Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, also Kindergarten, Bildungseinrichtungen, Vereinen etc., für das Thema zu sensibilisieren, um gegebenenfalls das Angebot der Reha in seiner Vielfältigkeit frühzeitig anzudenken.

?Welche Rolle spielt psychosoziale Reha bei Kindern und Jugend­lichen?
Die Medizin entwickelt sich stetig weiter, sodass auch Kinder und Jugendliche davon profitieren. Gleichzeitig ergibt sich dadurch mehr Bedarf für die psychosoziale Nachsorge, weil mit der Erkrankung oder den damit verbundenen Untersuchungen auch Belastungen einhergehen. Ebenso können unsichere Zukunftsperspektiven aufgrund von Pandemie, Klima, Konfrontation mit dem Thema Krieg oder hoher Leistungsdruck belasten. Deswegen adressieren wir im kokon neben dem körperlichen gleichermaßen das psychische und soziale Wohlbefinden. Psychosoziale Reha ist auch ein Angebot für Geschwister und das Familiensystem. Denn eine Erkrankung betrifft immer die gesamte Familie.

?Wie wird die Familie einbezogen?
In der kinder- und jugendorientierten Rehabilitation steht das Kind bzw. der Jugendliche mit seiner Erkrankung, aber ebenso psychosozialen Themen im Fokus. Auch die Geschwister der erkrankten Kinder kann dies betreffen. Für diese gibt es die Rehabilitation von Geschwisterkindern. Diese bedarf ebenso eines Reha-Antrages und dessen Bewilligung durch die Sozialversicherung.
Sämtliche Angebote im Reha-Alltag orientieren sich an den Bedürfnissen des betroffenen Kindes oder Jugendlichen. Die Familie als Begleitpersonen kann und sollte dabei im Rahmen von Schulungen, Begleitgesprächen zur Entlastung sowie Aufrechterhaltung der Therapiemotivation im Rahmen des Reha-Aufenthaltes miteinbezogen werden.
Anders verhält es sich in der familienorientierten Rehabilitation: Bei dieser ist das gesamte System Familie in den Reha-Prozess eingebunden. So können auch alle Familienmitglieder individualisierte Therapieangebote ihren Bedürfnissen entsprechend erhalten, die über Begleitgespräche hinausgehen. Dabei ist die Onkologie aktuell (noch) die derzeit einzige Indikation, bei der die sogenannte familienorientierte Rehabilitation, kurz FOR, angeboten wird. Die Erweiterung der FOR auch für andere Indikationen ist wünschenswert.

?Wie sieht der Reha-Alltag in Ihrem Haus aus?
Das orientiert sich an der Indikation, dem Alter und zusätzlichen Parametern wie Kognition, Entwicklungsstand oder Mobilität. Das Angebot ist eine Mischung aus einem festen Basispaket, welches medizinische, pflegerische, psychosoziale und therapeutische Leistungen integriert. Darauf aufbauend gibt es spezifische Angebote. Zu 70 % finden Gruppenangebote statt. Das Angebot orientiert sich dabei an den Vorgaben des Leistungsrahmens der Sozialversicherungen.

?Mit einem Reha-Aufenthalt wird vermutlich das Problem nicht gelöst sein. Wie wird die Nachsorge sichergestellt?
Reha stellt einen Baustein in der Versorgungslandschaft dar, wesentlich ist ein Schnittstellenmanagement, welches ermöglichen soll, dass der Baustein maximal integriert wird und ein Transfer in den Alltag stattfinden kann. Dies erfolgt durch die Vernetzung mit Zuweisenden sowie allen Helfersystemen. rh

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Dr. Liesa J. Weiler-Wichtl, klinische Psychologin© kokon