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Univ.-Prof. MMag. Dr. Bieber & Mag. Prillinger: „Alles umsatzsteuerfrei?“

Die häufigsten Umsatzsteuerfallen für Ärzte in der Praxis

Autoren:
Univ.-Prof. MMag. Dr. Thomas Bieber
Institut für Finanzrecht, Steuerrecht und Steuerpolitik
Johannes Kepler Universität Linz, thomas.bieber@~@jku.at

Mag. Johannes Prillinger
Steuerberater und Partner bei LeitnerLeitner, Johannes.Prillinger@~@leitnerleitner.com

Ärzte vertreten häufig die Ansicht, dass alle ärztlichen Leistungen umsatzsteuerfrei sind. „Der Teufel steckt jedoch im Detail“, so Johannes Prillinger, Steuerberater und Partner bei LeitnerLeitner. Entscheidend für die Umsatzsteuerbefreiung sei das Vorliegen einer „Heilbehandlung“.

Was ist eine typische umsatzsteuerbefreite Heilbehandlung?

Zu den typischen steuerbefreiten Heilbehandlungen von Ärzten zählen die Untersuchung, Vorbeugung und Therapie von körperlichen und geistigen Krankheiten sowie operative Eingriffe. Bei Zahnärzten die Vornahme von Zahnfüllungen, Extraktionen, Zahnersatz, Wurzelbehandlungen sowie Korrektur von Fehlstellungen.

Nicht umsatzsteuerbefreit sind ästhetisch-plastische Leistungen („Schönheits-OPs“) ohne medizinische Indikation. Eine medizinische Indikation ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Kosten vom gesetzlichen Krankenversicherungsträger übernommen werden. Ob eine medizinische Indikation vorliegt, beurteilt zentral der behandelnde Arzt und ist für die Finanzverwaltung grundsätzlich bindend. Gleiches gilt bei Zahnärzten (z. B. Bleaching).

Der Verkauf von Medikamenten zur Einnahme außerhalb der Ordination oder die Lieferung von Medikamenten aus einer Hausapotheke ist nicht umsatzsteuerbefreit. Werden die Medikamente hingegen in der Ordination zur sofortigen Einnahme verabreicht, liegt eine umsatzsteuerbefreite Heilbehandlung vor. Heilbehandlungen sind dabei nicht zwingend an die Ordinationsräumlichkeiten gekoppelt und können auch außerhalb der Ordination erbracht werden. So sind insbesondere auch online-basierte Therapieeinheiten umsatzsteuerbefreit, sofern der therapeutische oder diagnostische Zweck im Vordergrund steht.
Umsatzsteuerbefreite Heilbehandlungen können nur von bestimmten Berufsgruppen erbracht werden wie Ärzten, Zahnärzten, Dentisten, Psychotherapeuten, Hebammen, Physiotherapeuten oder Heilmasseuren. Behandlungsleistungen von Heilpraktikern, Homöopathen, Masseuren und Chiropraktikern stellen demgegenüber keine umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlungen dar.

Eine Besonderheit gilt bei Arbeitsmedizinern, weil diese in der Praxis eine Mischung aus begünstigten Heilbehandlungen und nicht begünstigten Leistungen erbringen. Hier lässt die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen ein pauschales Splitting zu: 90 % (USt-pflichtig), 10 % (USt-frei).
In letzter Zeit haben sich zunehmend Timesharing-Modelle etabliert. Dazu ist aus umsatzsteuerlicher Sicht festzuhalten: Vermietet ein Arzt seine Ordination inklusive Personal lediglich zu Selbstkosten (ohne Gewinnaufschlag) an andere Ärzte, so bleibt die Umsatzsteuerbefreiung weiterhin anwendbar. Wird hingegen ein Gewinnaufschlag verrechnet oder die Ordinationsräumlichkeit an Personen vermietet, die keine umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlungen erbringen, dann ist die Vermietung bei Überschreiten von 35.000 Euro pro Jahr umsatzsteuerpflichtig. In diese Umsatzgrenze sind auch Honorare für Vortrags- und Publikationstätigkeiten von Ärzten einzurechnen, weil diese keine umsatzsteuerbefreite Heilbehandlung darstellen.

Sind auch ärztliche Gutachten umsatzsteuerbefreit?

Umsatzsteuerbefreit sind ärztliche Gutachten in laufenden Gerichtsverfahren, die dem Schutz der Gesundheit des Betreffenden dienen wie z. B. Gutachten über die Vernehmungs- oder Verhandlungsfähigkeit oder Haftvollzugstauglichkeit. Die Steuerbefreiung greift auch dann, wenn der Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens von einem Dritten erteilt wird (z. B. Gutachten über den Gesundheitszustand im Zusammenhang mit einer Versicherungsleistung). Nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung für Heilbehandlungen fallen nach der Verwaltungspraxis allerdings z. B. ärztliche Gutachten für zivil- und strafrechtliche Haftungsfragen oder über ärztliche Kunstfehler, Gutachten über die Altersbestimmung oder psychologische Tauglichkeitstests, die sich auf die Berufsfindung erstrecken. Ob ein Gutachten „dem Schutz der Gesundheit des Betreffenden“ dient, sollte aufgrund der Verschiedenheit und Komplexität ärztlicher Gutachten sowie der Vielfalt an möglichen Gutachtenszielsetzungen im Einzelfall geprüft werden.

Vorsteuerschlüssel

In Fällen, in denen Ärzte sowohl umsatzsteuerpflichtige als auch umsatzsteuerbefreite Umsätze erbringen, ist es in der Praxis erforderlich, die abzugsfähigen Vorsteuern aufzuteilen. Dabei sind vereinfacht drei Töpfe zu bilden:

  • 100 % abzugsfähig ist die Vorsteuer für Einkäufe, die ausschließlich im Zusammenhang mit umsatzsteuerpflichtigen Leistungen des Arztes stehen (z. B. Nahrungsergänzungsmittel, kosmetische Produkte etc.).
  • 100 % nicht-abzugsfähig ist die Vorsteuer auf bezogene Leistungen, die ausschließlich für die Erbringung von umsatzsteuerbefreiten Heilbehandlungen verwendet werden (z. B. medizinische Geräte, Behandlungsmaterial etc.).
  • Für die verbleibenden, nicht direkt zuordenbaren Vorsteuerbeträge ist ein anteiliger Vorsteuerschlüssel zu ermitteln.
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© istockphoto/Mykyta Dolmatov
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Univ.-Prof. MMag. Dr. Thomas Bieber© ZVG
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Mag. Johannes Prillinger© Michael Königshofer