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Ordination: Darf eine Praxis als Wohnung genutzt werden?

Angesichts der zunehmenden Wohnungsknappheit stellt sich diese Frage immer häufiger.

Angesichts der zunehmenden Wohnungsknappheit stellt sich diese Frage immer häufiger.

Ein Szenario, das wohl gar nicht so selten vorkommt: Ein älterer Arzt möchte nach vielen Jahren des Ordinierens den wohlverdienten Ruhestand antreten. Da er trotz längerer Suche keinen Nachfolger für seine Praxis finden konnte und der Mietvertrag noch über ein paar Jahre läuft, überlegt er, sie als Wohnung an den Nachwuchs weiterzugeben. Aber ist eine andere als eine gewerbliche Nutzung überhaupt erlaubt? Und ist es weiters erlaubt, einen Vertrag für eine Geschäftsfläche, die künftig für Wohnzwecke genutzt werden soll, weiterzugeben?

Ein Mieter hat grundsätzlich keinen Anspruch auf die Weitergabe seines Mietvertrags, es sei denn, das wurde im Mietvertrag ausdrücklich festgesetzt. Im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) gibt es dagegen eine Erleichterung für den Mieter, wie Dr. Leonhard Göbel, Rechtsanwalt und Partner bei Nepraunik & Prammer, erklärt: „Hätte der Arzt einen jüngeren Kollegen gefunden, der die Praxis übernimmt bzw. in denselben Räumlichkeiten mit der bestehenden Infrastruktur, Patientenstock und Personal weiterführen möchte, so könnte dieser in den Mietvertrag eintreten.“ In diesem Fall wäre es auch das Einverständnis des Vermieters nicht notwendig. Dies gelte allerdings nur bei Fortführung der Praxis, also nicht bei künftiger Wohnnutzung.

Gespräch mit dem Vermieter

Grundsätzlich ist die Voraussetzung für die Nutzung einer gemieteten Geschäftsfläche als Wohnung, dass das laut Mietvertrag erlaubt ist. Sofern auch die Weitergabe des Vertrags erlaubt ist, kann die Praxis für Wohnzwecke genutzt werden. Erlaubt der Mietvertag hingegen keine andere Nutzungsart, so muss sich der Arzt an den Vermieter wenden. Gibt dieser sein Einverständnis, so wird in der Regel der Mietvertrag aufgelöst und ein neuer Mietvertrag zu Wohnzecken abgeschlossen.

Etwas einfacher ist das Ganze, wenn dem anstehenden Ruheständler die Praxisräume gehören würden. In diesem Fall müssten in einem ersten Schritt die als Geschäftsfläche gewidmeten Räume durch eine Baubewilligung umgewidmet werden. Gleichzeitig müssten die laut der Wiener Bauordnung – angenommen die Immobilie liegt in Wien – vorgegebenen baulichen Anforderungen für Wohnzwecke erfüllt sein. Für den Fall, dass nur geringfügige Änderungen notwendig sind, um dem gerecht zu werden, reicht laut Experten eine Bauanzeige.

Ist die Ausgangslage einmal geklärt, gilt es – wenn der Arzt nicht Alleineigentümer des Hauses ist, sondern Wohnungseigentümer der Ordination –, herauszufinden, ob nach dem Wohnungseigentumsvertrag eine Umwidmung der Geschäftsfläche erlaubt ist. „Ist das der Fall, so sind keine bürokratischen Hürden zu erwarten und die Praxis darf als Wohnung verwendet werden“, so Göbel. Räumt der Wohnungseigentumsvertrag diese Möglichkeit jedoch nicht ein, könnte es kniffeliger werden. Eine Umwidmung zur Wohnung ist dann nämlich nur möglich, wenn der Arzt die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer einholt. „Gelingt dies nicht, kann beim Bezirksgericht ein Antrag auf Ersetzung dieser Zustimmungen gestellt werden. Das Gericht entscheidet dann nach einer Interessenabwägung, ob die Widmungsänderung zuzulassen ist“, erläutert Göbel. pb

 

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Dr. Leonhard Göbel, Rechtsanwalt und Partner bei Nepraunik & Prammer. Foto: zvg
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Foto: istockphoto/Anna Stills