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Interview Prim. Dr. Peters: Krisen können jeden treffen

Psychische Erkrankungen sind gut behandelbar und mit den richtigen Methoden gut zu überwinden und zu bewältigen. Wie genau das mithilfe von medizinisch-psychiatrischer Rehabilitation klappt, erklärt Prim. Dr. Margot Peters, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin im Sonnenpark Bad Hall der pro mente Reha.

Psychische Erkrankungen sind gut behandelbar und mit den richtigen Methoden gut zu überwinden und zu bewältigen. Wie genau das mithilfe von medizinisch-psychiatrischer Rehabilitation klappt, erklärt Prim. Dr. Margot Peters, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin im Sonnenpark Bad Hall der pro mente Reha.

Die medizinisch-psychiatrische Reha als ambulantes oder stationäres Angebot kann nach einer akuten Erkrankung mit ambulanter oder stationärer Vorbehandlung, hilfreich sein. Im umfassenden therapeutischen Angebot in Österreich ist die medizinisch-psychiatrische Reha ein wichtiger Baustein im Heilungsprozess. Alle therapeutischen Bemühungen der Reha haben das Ziel der vollständigen oder weitestgehend möglichen Wiederherstellung der psychischen Gesundheit, des Wohlbefindens, der individuellen Leistungsfähigkeit und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

?Wann ist eine medizinisch-psychiatrische Rehabilitation indiziert?
Wir sehen einen sehr deutlichen Unterschied zur somatischen Rehabilitation. Niemand würde auf die Idee kommen, einen Patienten erst nach dem sechsten Herzinfarkt zu einem Rehabilitationsaufenthalt zuzuweisen. Bei psychiatrischen Patienten ist das anders. Hier wartet man oft zu und die Patienten kommen mit einer jahrelangen Krankengeschichte dann häufig erst zu einem sehr späten Zeitpunkt zu uns. Aber auch hier gilt: Je später die Therapie beginnt, desto eher ist die Chance, dass sich die Erkrankung chronifiziert. Es wäre sinnvoll, sofort eine Rehamaßnahme einzuleiten, sobald sich die erste depressive Episode klar abzeichnet, denn nirgendwo sonst bekommt man ein derart umfangreiches multimodales Therapieangebot – von der ärztlichen Betreuung über eine Ergo- und Psychotherapie bis hin zur Physiotherapie und der Sozialarbeit.

?Welche Voraussetzungen muss der Patient mitbringen?
Auch hier unterscheiden wir uns von den somatischen Erkrankungen deutlich, denn eine gewisse Belastbarkeit muss vorhanden sein. Die Therapien umfassen mindestens 20 Wochenstunden, das ist allein von der Zeit her ein Halbtagsjob. Ich habe großen Respekt vor Patienten, die zu uns kommen, denn hier geht es ja nicht um Radfahren oder Spazierengehen, sondern einen Prozess, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Man stellt sich seinen Ängsten oder arbeitet an völlig neuen Lebensperspektiven. Verglichen wieder mit somatischen Erkrankungen heißt das: Wenn man vom Ergometer absteigt, ist die Therapie nicht vorbei oder mit einem leichten Muskelkater erledigt. Der innerpsychische Prozess läuft weiter oder beginnt vielleicht erst nach der Therapiestunde! Daher müssen diese Patienten schon sehr viel mehr Belastung aushalten können.
Wichtig ist aber auch ein Sprachverständnis. Wer kognitiv beeinträchtigt ist oder unserer Sprache nicht ausreichend mächtig, kann auch keine medizinisch-psychiatrische Rehabilitation machen. Das soll nicht diskriminierend wirken, aber um an den Programmen teilnehmen zu können, ist es Voraussetzung, die eigenen Wünsche, Bedürfnisse oder Gefühle ausdrücken zu können. Das heißt, unser Programm ist beispielsweise auch für Menschen mit Merkfähigkeitsstörungen nicht geeignet. Darauf sollte schon bei der Zuweisung geachtet werden.

?Beobachten Sie, dass die aktuellen (Dauer-)Krisen das Auftreten psychischer Erkrankungen verstärken?
Wir sehen schon, dass sich durch die Pandemie ganz andere Belastungen ergeben haben als in der Zeit davor. So hatten wir beispielsweise fast nie Patienten, die aufgrund sozialer Isolation psychische Beschwerden bekommen haben. Nach den Lockdowns war das Thema plötzlich sehr präsent! Dann gibt es eine Gruppe an Menschen, die durch die ausgeprägte Mehrbelastung in ein Erschöpfungssyndrom geschlittert sind. Das sind etwa Pflegekräfte, aber auch Menschen, die plötzlich eine massive Mehrfachbelastung erlebt haben, etwa durch Homeoffice und Kinderbetreuungspflichten. Es gibt auch Pädagogen, die aufgrund der Pandemie mit den neuen Medien arbeiten sollten, keine Unterstützung hatten und daher überfordert waren. Manche, die sich vielleicht im Arbeitsalltag ohnehin schwerer mit Organisation tun, waren plötzlich auf sich allein gestellt und mussten im Homeoffice isoliert und völlig selbstständig ihre Arbeitsprozesse in die Hand nehmen. Andere wiederum haben die Isolation sehr geschätzt und es war für sie von Vorteil, dass sie wenig soziale Kontakte pflegen mussten. Jetzt müssen sie wieder unter Menschen und sind gefordert, sich wieder an einen klassischen Arbeitsalltag zu gewöhnen, können das aber nicht (mehr).
Kurz gesagt: Die Herausforderungen haben sich verändert und dadurch sind neue Probleme aufgetreten bzw. neue Gruppen von Menschen in den Fokus gerückt.

?Wer ist die erste Anlaufstelle für Betroffene?
Bei psychischen Belastungsfaktoren ist das frühzeitige Erkennen und Zuweisen wichtig. Die Hausärzte kennen ihre Patienten meist sehr gut und bemerken rasch, wenn es gravierende Veränderungen gibt. Das beginnt vielleicht einfach damit, dass sich die Zahl der Besuche merklich erhöht. Wer vor der Pandemie einmal im Jahr den Hausarzt gebraucht hat und jetzt wöchentlich mit anderen Beschwerden kommt, da sollte man hellhörig werden und nachfragen. Auch Menschen, die früher selten Kopfschmerzen hatten und jetzt plötzlich massiv darunter leiden, zusätzlich sind Schlafstörungen oder Erschöpfung oft erste Vorboten psychischer Erkrankungen.

?Welche Rehabilitationsziele können sinnvoll vereinbart werden?
Für viele Menschen steht in der Reha die Absicherung der bestehenden oder auch die Wiedererlangung der krankheitsbedingt vorübergehend verminderten Arbeitsfähigkeit im Zentrum. Für andere geht es darum, selbstbestimmte Lebenswege abzusichern, den Weg zurück ins gesellschaftliche Leben zu finden oder Zustandsverschlechterungen vorzubeugen.

?Wann ist ambulante, wann stationäre Rehabilitation sinnvoll?
Das neue Formular der PVA ermöglicht für den Hausarzt bei psychiatrischen Zuweisungen schon die Wahl zwischen stationär oder ambulant. Je nach Situation muss hier genau abgewogen werden, für wen welche Form die richtige ist. Eine allgemein gültige Formel gibt es nicht. So bietet die stationäre Reha die Chance, sich in einer sicheren und positiven Umgebung ganz auf die eigene Gesundung und Vorbereitung der eigenen Zukunft konzentrieren zu können. Im Rahmen eines ambulanten Aufenthaltes wohnt man zu Hause und nutzt tagsüber die Therapieangebote. Man lebt im Alltag weiter und kann die Erfahrungen und das Gelernte praxis- und lebensnah umsetzen. Eine ambulante Reha muss auch von der täglichen Fahrtstrecke sinnvoll zumutbar sein, sonst kann das ganz schnell eine Zusatzbelastung werden.

?pro mente Reha ist Pionier auf dem Gebiet der medizinisch-psychiatrischen Rehabilitation. Wie sieht das Angebot konkret aus?
Unsere stationären Reha-Einrichtungen in Lans/Tirol, Bad Hall/OÖ, St. Veit/Salzburg und Rust/Burgenland sowie die ambulanten Einrichtungen in Graz und Salzburg bieten sechswöchige umfassende Therapieaufenthalte an. Im Sonnenpark Bad Hall haben wir das Team mit der längsten Erfahrung. Viele der Kollegen haben die Einrichtung mit aufgebaut und sind von Anfang an dabei. Sie können daher auch an der Optimierung des Angebotes mit viel Know-how mitarbeiten. Diese gewachsenen Strukturen bieten auch den Patienten sehr viel Stabilität und Kontinuität. Wir sind gut vernetzt, die Kommunikation klappt sehr gut und das spüren die Patienten auch. Im Bereich der Prävention sind wir ebenfalls mit einem Angebot für Familien Pioniere in Bad Hall: mia – Miteinander Auszeit. Das ist eine Einrichtung, wo Erziehungsberechtigte, die zur Prävention kommen, auch ihre Kinder mitnehmen können, die dann betreut werden. Damit können wir Mütter gut ansprechen, die sonst nie die Chance hätten, die Zeit für einen Aufenthalt bei uns freizumachen. rh

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Foto: pro mente reha